
WOC 2023 Mia & Mara: Volle Konzentration und Vollgas am Start
Damit der Wettkampf gelingt, ist ein reibungsloser Start unverzichtbar. Das ist komplizierter, als man denken könnte.
Heute ging es für uns an den Start des WM-Langdistanzrennens. Bevor wir jedoch ankamen, mussten wir einen langen Weg zurücklegen. Hoch auf den Crap Sogn Gion ging es mit der Seilbahn, und dann marschierten wir den gleichen Weg über die Alpwiesen wie die Athleten. Da wir im Gegensatz zu ihnen keine Einlaufkarte hatten, gelangten wir orientierungstechnisch an unsere Grenzen, bis wir schliesslich die rettenden Toi-Tois erblickten. Möglichst unauffällig schlichen wir vorbei an der Coaching-Zone zum Pre-Start, denn am Start soll es möglichst ruhig sein. Die Athletinnen und Athleten schätzen es sehr, wenn sie sich in einer unaufgeregten und perfekt organisierten Umgebung fertig vorbereiten und konzentrieren können.
Beim Vorstartzelt wurden wir vom Startchef Martin Oppliger empfangen. Er gab uns einen umfassenden Überblick über die Aufgaben des Startteams und erklärte uns die Abläufe. Wie schon gesagt, muss alles perfekt vorbereitet sein. Die Planung wird lange im Voraus gemacht und alles ist genaustens abgesprochen. Bevor man den exakten Aufbau des Startbereiches festlegen kann, muss die Bahnlegung den Startpunkt entscheiden. Darauf folgen Diskussionen mit dem Fernsehen und anderen Parteien. Die Konstellation muss vielen Anforderungen gerecht werden: Das Fernsehteam möchte natürlich schöne Aufnahmen machen und das Alpenpanorama zeigen, und es muss möglich sein, alle nötigen Infrastrukturen wie beispielsweise Zelte aufzubauen.
Das alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach, und es kommt zu viel Hin und Her. So auch bei der Langdistanz von heute, wo die Bahnleger den Start provisorisch festgelegt hatte und die Location erstmals von allen besichtigt wurde. Das Fernsehen war mit dem Startpunkt nicht ganz glücklich und schlug vor, ihn ein paar Höhenmeter nach unten zu versetzen, damit das Alpenpanorama besser zur Geltung kommt. Das Bahnlegerteam wehrte sich jedoch dagegen, da dies einer längeren Routenwahl hätte in die Quere kommen können. Also blieb es bei den ursprünglichen Koordinaten.
Aber auch so sah es schön aus. Der Weg zum Startpunkt ist so aufgebaut, dass die Startenden zuerst zwei Schritte in Richtung Kamera machen und dann nach rechts abdrehen. Die Kamera macht einen Schwenker und verfolgt die Läuferinnen und Läufer ins Tal. Bei schönem Wetter wären so im Hintergrund die Berge zu sehen, was heute leider nicht durchgehend der Fall war.
Eine grosse Challenge für die Start-Crew ist, dass die Geheimhaltung eine grosse Rolle spielt. Da der Startort nicht an die Öffentlichkeit gelangen darf, erfahren die Mitarbeiter abgesehen vom Chef erst kurz vorher, wo es genau hingeht. Am Abend zuvor richten sie den Start grob ein, und der ganze Rest wird am Wettkampftag selbst zum Start geschleppt und die Infrastruktur fertiggestellt. Deshalb ist der Job am Start sehr kräftezehrend. Das Team muss schon um 5 Uhr auf den Beinen sein, hält sich den ganzen Tag draussen auf und es wird besonders bei mehreren aufeinanderfolgenden Wettkämpfen auch am Abend spät. Nach dem stressigen Aufbau am Morgen sechs Stunden am Stück die Konzentration behalten, ist nicht einfach. Machen sie einen Fehler oder vergessen etwas, sind die Konsequenzen gross. Aus diesem Grund helfen am Start meistens die gleichen erfahrenen Leute. Seit 16 Jahren macht das Team Oppliger diesen Job. Damit alle Läufer fair starten können, müssen alle gut instruiert sein, um spontan reagieren zu können. Mit tiefem Vertrauen und eingespielten Händen läuft so meist alles glatt.
Doch die Helfer am Start werden für den anstrengenden Einsatz auch belohnt. Die Volunteers arbeiten alle mit Leidenschaft und geniessen die Zeit im Gelände. Besonders wenn man schon lange dabei ist, kennt man die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer und vor allem die Coaches. Die Start-Zuständigen müssen dafür sorgen, dass alles fair abläuft und weder Startende noch Trainer ein Mobiltelefon oder eine GPS-Uhr dabeihaben, denn auch wenn das Gerät nicht genutzt wird, kann dies im Nachhinein angefochten werden. Seit Neustem sind die IOF-Regeln auch am Start aufgehängt, so dass ja niemandem ein Fehltritt passiert.
Das Wichtigste für den Start sind die Karten. Martin Oppliger erhält das Kartenset um 17 Uhr am Vorabend, und ein Zweites ist stets bei einer anderen Person. So wird sichergestellt, dass der Lauf auch bei einem Zwischenfall stattfinden kann. Aus dem gleichen Grund gibt es auch eine Stellvertretung für Martin. Sein Sohn Severin ist in alles eingeweiht und könnte einspringen. Tochter Chantal Oppliger weiss alles über die Quarantäne und ist das Double ihrer Mutter, damit auch da alles sicher funktioniert (über die Quarantäne haben wir am Weltcupfinal 2022 in Davos berichtet).
Selbstverständlich sahen wir dann auch den effektiven Startablauf der Langdistanz. Es gibt dabei einige Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede zu einem «normalen» OL-Wettkampf. Zuerst wird die SI-Card online mit der Startliste abgeglichen, dann erhalten die Athletinnen und Athleten ihr GPS und können zum nächsten Gatter. Dort wird die Postenbeschreibung abgegeben. Beim WM-Langdistanzrennen hatte jeder und jede Startende eine persönliche Postenbeschreibung mit der Startnummer. Dies aus dem Grund, dass die Bahn bei den Männern eine gegabelte Schmetterlingsschlaufe hatte, um das grosse Trämlen zu vermeiden. Zusätzlich gibt es noch einen Touchfree-Test und es wird sichergestellt, dass der Badge funktioniert. Für den Notfall sind Ersatzbadges vor Ort. Wenn alles geklappt hat, kann es losgehen. Die Läufer erhalten ihre Laufkarte und können bei Ertönen des Startsignals loslegen. Wir waren beeindruckt, wie schnell die Weltbesten den Hang hinunterstachen. Auch faszinierte uns, was für ein grosser Aufwand der Start mit sich bringt und was alles koordiniert sein muss, damit nichts zu früh an die Öffentlichkeit sickert.
Mia & Mara
Mia & Mara: Die beiden 16-Jährigen nehmen euch in der Zeit der OL WM 2023 mit auf eine Reise hinter die Kulissen und beliefern euch täglich mit spannenden Stories rund um das Wettkampfgeschehen – und auch abseits davon. Morgen bei uns: Selbstversuch beim IOF Family&Media Race.





